Käthe Leichter - Ihr Kampf gegen das Unrecht

Käthe Leichter war eine der ersten  führenden Sozialdemokratinnen. Sie war eine brillante Analytikerin, scharfsinnige Politikerin, die gegen die soziale Ungleichheit auftrat. Als Frau, Sozialdemokratin und Jüdin hatte sie mit einer Reihe von Vorurteilen - von den unterschiedlichen Seiten - zu kämpfen. Im Austrofaschismus wurde verfolgt. Im Februar 1942 wurde Käthe Leichter aus dem KZ Ravensbrück abtransportiert vergast. Es war eine sogenannte Versuchsvergasung.


Text von BARBARA SERLOTH

Käthe Leichter wurde als Marianne Katharina Pick am 20. August 1895 in Wien geboren. Ihre Familie gehörte dem liberalen großbürgerlichen Judentum in Wien an, was sich auch in ihrer Erziehung niederschlug. In ihrer Kindheit schien sie zwischen der "heiter-freisinnige(n) Ungläubigkeit" (Leichter) und den strenggläubigen Großeltern hin- und hergerissen gewesen zu sein. Prägend war aber vor allem der Umstand, dass beide Eltern in ihren Familien aufgrund ihrer Intellektualität als Außenseiter angesehen wurden. Das Ehepaar Pick förderte die Begabungen ihrer beiden Kinder, die durchaus zur elterlichen Enttäuschung (leider) Mädchen waren und Käthe Leichter wurde eine der ersten Studentinnen der Staatswissenschaften in Wien.

 

Hochschuljahre

Käthe Leichter konnte sich im Jahre 1914 erst über eine Klage den Zugang zu einem Studium an der Wiener Universität ermöglichen. Sie studierte Staatswissenschaften, ein Studium für das die Universität Wien keine Abschlussprüfungen anbot. Aus diesem Grund war sie gezwungen, in Heidelberg ihre Rigorosen abzulegen. Leichter schloss sich dort allerdings einem Kreis sozialistischer Studentinnen an, die aktive Kriegsgegner waren, und wurde noch Ende 1917 aus Deutschland ausgewiesen. Für "die Dauer des Krieges" wurde über sei ein Einreiseverbot verhängt. Nur aufgrund einer Sondergenehmigung wurde ihr der Aufenthalt in Deutschland zwischen dem 15. Juli 1918 und dem 1. August 1918 erlaubt.

 

Der lange Weg zur Sozialdemokratie

Die Hinwendung zur Sozialdemokratie ist Käthe Leichter weder von ihrem Elternhaus, noch von ihrer sozialen Zugehörigkeit in die Wiege gelegt worden.

Die ersten Eindrücke von den Lebensbedingungen der Arbeiterfamilien gewann sie während des Krieges. Im Grunde genommen war gerade der bürgerliche Wohltätigkeitsanspruch "schuld" an ihrer Politisierung. Kurz nach dem Kriegsbeginn hatte die Direktion des Cottage-Lyzeums, an dem sie ihren Maturakurs belegte, die Idee, den Arbeiterkindern der sogenannten "Krim", deren Väter eingerückt und deren Mütter berufstätig waren, während des sommers den Schulgarten und den Spielplatz zur Verfügung zu stellen. Käthe Leichter übernahm nicht nur die Leitung einer Kindergruppe, sondern setzte sich mit den sozialen Rahmenbedingungen der Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen auseinander.

In ihren Erinnerungen notierte sie: "Die Kinder waren besser dran als die Favoritens oder Ottakrings, weil sei dem Wienerwald näher waren und bessere Luft hatten, schlechter dran, weil sie hier nichts von der Solidarität und Selbsthilfe anderer Proletarierbezirke zu spüren bekamen. Jeder war sich und seinem Elend selbst überlassen. Zusammenhalt und Selbstgefühl fehlten - man lehnte sich in jeder Beziehung an das reiche Villenviertel, das auf dem Hügel oberhalb der Krim gelegen, stolz auf sie herabsah .... Was hatte ich zu tun, um meinen sonst so frischen Buben die angelernte Unterwürfigkeit des Küß' die Hand und Vergelt's Gott abzugewöhnen."

Zur Sozialdemokratin wurde Käthe Leichter während ihres Studiums. Ein Schritt, der in ihrer Familie kaum nachvollzogen werden konnte und der das Verhältnis zu ihrem Vater erstmals trübte. Rückblickend notierte sie: "Kompliziert wurde mein Verhältnis zum Vater erst, als ich Sozialdemokratin wurde. Das hieß damals, besonders im Krieg, noch abseits stehen, Außenseiter der Gesellschaft sein. Mein Vater fühlte sich viel zu sehr auf die Zugehörigkeit zu und die Anteilnahme dieser Gesellschaft angewiesen, als dass ihm meine Entwicklung nicht mit steter Sorge erfüllt hätte, wirklicher Sorge um mich, Sorge auch darüber, was Familie und Freunde sagen werden. Nun sie sagten genug, und dem Vater hat es viel Kummer bereitet."

 

Als Sozialdemokratin war sei eine Art von Emigrantin

Für Käthe Leichter bedeutete dieser Schritt mehr als nur einer geistigen Haltung offiziell Ausdruck zu geben. Sie wurde dadurch zu einer Art Emigrantin. Den bürgerlichen Freunden und Familienangehörigen war sie suspekt geworden, sie gehörte nicht mehr ganz zu ihnen. Für die Arbeiterinnen war sei aber auch nicht eine von ihnen. Die Intellektuelle aus großbürgerlichem Haus wurde anfangs - und vielleicht heimlich noch viel länger - misstrauisch betrachtet. Sie teilte damit das Schicksal mit anderen großen Frauen der Sozialdemokratie, die von beiden Seiten lange Zeit als "Fremdkörper" angesehen wurden.

Rosa Jochmann sprach diese Skepsis gegenüber Käthe Leichter in ihren Erinnerung an: "Eines Tages hieß es, im Brauhaus wird eine Frau Doktor Käthe Leichter zu uns sprechen. Meine Kolleginnen waren nicht begeistert, nach einem schweren Arbeitstag und der furchtbaren Hitze im luftdicht abgeschlossenen Brennsaal noch zu einem Vortrag zu gehen. Aber aus Pflichteifer habe ich sie gedrängt, diese Versammlung doch zu besuchen, obwohl ich mir innerlich dachte: Was wird uns diese Frau Doktor schon Wichtiges zu sagen haben?"

 

Die Arbeit in der 1. Republik

Käthe Leichter gehörte in der 1. Republik der Neuen Linken an, einer politischen Bewegung, die sich der Verwirklichung des Rätesystems verschrieben hatte. Für Leichter war das Verhalten der Sozialdemokratie während des 1. Weltkrieges ideologisch zutiefst ernüchternd gewesen. "Wie so viele hatte auch ich gehört und erwartet, dass die sozialdemokratische Internationale den Krieg verhindern würde. ... Wie gut, dacht ich damals, dass ich mich bisher persönlich nicht hatte entschließen können, mich für die Sozialdemokratie festzulegen. Es musste doch schmerzlich sein, zu sehen, dass diese vielgerühmte Internationale nicht bestand, und wie ihre stolzeste Partei, die deutsche und gleich ihr die vieler anderer Länder die Kriegskredite bewilligten, wie der Burgfrieden an die stelle des von ihnen gepredigten Klassenkampfes trat".

Als Mitglied der Rätebewegung war sie ab April 1919 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Staatskommission für Sozialisierung. Sie selbst verwies darauf, dass die Sozialisierungsbewegung ein Kind der revolutionären Welle des Jahres 1919 war. Das politische Ziel der Sozialisierungskommission war es, die Betriebsrätegesetze und die Gesetze der gemeinschaftlichen Unternehmungen zu regeln.

Obwohl die ehrgeizigen Vorhaben nicht verwirklicht werden konnten, leisteten sie doch "Vorarbeit" für einige sozialpartnerschaftliche Regelungen der 2. Republik.

 

Ihre frauenpolitische Arbeit

Nach ihrem Ausscheiden aus der Sozialisierungskommission wurde Käthe Leichter auf Empfehlung Wilhelm Ellenbogens von der Arbeiterkammer mit der Leitung des neu gegründeten Referats für Frauenarbeit betraut. Insgeheim hoffte sie, an das Soziologische Institut in Frankfurt als wissenschaftliche Mitarbeiterin berufen zu werden. Sie bat Friedrich Adler um eine entsprechende Intervention, der ihr jedoch zum Abwarten riet.

Innerhalb der Arbeiterkammer hatte sie als Frau in einer leitenden Position mit Vorurteilen zu kämpfen. Dass auch antisemitische Vorurteile im Spiel waren, überspielte sie.